Ausverkauftes Haus! „Wie im Film“, das neue Programm des „Lästerers der Nation“ war ein voller Erfolg. Das Publikum war begeistert und auch Curd Wunderlich fand im Reichenhaller Tagblatt vom 22.3.2013 „überwiegend“ wohlwollende Worte...

Steinbrück stolpert, aber Merkel ist der Lieblingsfeind

Urban Priol begeisterte mit seinem Programm „Wie im Film“ das Publikum im Kurgastzentrum

BAD REICHENHALL - Seine Kritiker werfen Urban Priol vor, er mache „Kabarett auf dem kleinsten intellektuellen Nenner“. Aber das ist keineswegs das Problem, vor das einer der bekanntesten deutschen Kabarettis­ten sein Publikum stellt. Das vermag er zu begeistern wie kaum ein anderer, wie er auch am Mittwochabend im voll besetzten Theater im Kurgastzentrum in eindrucksvoller Manier bewies. Und er erheitert durchaus mit einer Art Humor, die eine hohe politische Bildung und Wissen über aktuelles Tagesgeschehen voraussetzt.

Vielmehr ist der aus der ZDF-„Anstalt“ bekannte Priol einer, der ganz bewusst provoziert. Dabei bewegt er sich immer wieder nah an gewissen Grenzen, die er dann teilweise auch überschreitet. Und ob das immer sein müsste, darüber lässt sich streiten.

Neben seinem extravaganten Auftreten hebt sich Urban Priol insbesondere durch seine ständige Tagesaktualität und Schlagfertigkeit von seinen Kollegen ab. So eröffnet er sein Programm glänzend, indem er die Begrüßung durch den Spielbankdirektor spontan aufgreift: „Was kann man in Zeiten der Eurokrise besseres machen, als es mit Glücksspiel zu versuchen?“

Auch die Pause nutzt Priol noch, um aktuelle Nachrichten abzurufen - und diese dann humoristisch zu verarbeiten. Also bedankte er sich ad hoc bei Gerhard Schröder „für den einzig sinnvollen Satz, den er in seiner siebenjährigen Amtszeit hervorgebracht hat“. Im „heute journal“ hatte Priol zuvor einen Beitrag zum zehnten Jahrestag des Einzugs der Amerikaner im Irak gesehen. Schröder hatte damals mehrfach betont, Deutschland werde sich unter seiner Führung „an einer Intervention im Irak nicht beteiligen“. Hätte damals Angela Merkel die Entscheidungen zu treffen gehabt, „wären wir noch vor den Amis da eingezogen“, so der Kabarettist. Die Bundeskanzlerin und ihre Parteifreunde sind in seinem Programm „Wie im Film“ allgemein Priols Lieblingsopfer.

Das begann mit fast schon bieder anmutenden Witzeleien über Horst Seehofer, „den größten Scheinheiligen in der deutschen Politiklandschaft“. Der habe einen Deal mit Benedikt XVI. geschlossen, sodass der bayerische Papst besser noch am Rosenmontag seinen Rücktritt verkündete. Nicht dass er der CSU und ihrem Vorsitzenden am Politischen Aschermittwoch noch die mediale Präsenz streitig gemacht hätte. An diesem Tag treffe sich alljährlich „die Elite des Landes in Passau“. Das müsse jeder einmal erlebt haben, wie „der klassische CSU-Wähler“ um halb zehn nach der dritten Maß Bier unter die Bierbank brunzt und auf Seehofers Auftritt wartet. Auch Ilse Aigner war an diesem Tag in Niederbayern, anstatt auf einem Treffen der EU-Landwirtschaftsminister in Brüssel. Einen Kommentar zum Pferdefleischskandal lieferte sie dennoch: Was auf Verpackungen drauf stehe, müsse auch drin sein. Priols Antwort darauf: „Ilse, bei dir steht Verbraucherschutzministerin drauf!“

Deutlich grenzwertiger erschien da schon der Vergleich von Merkels zur Aussprache gebrachten Hoffnung, Kleinanleger in Zypern würden nicht belangt werden, mit Walter Ulbrichts berühmt-berüchtigten Versprechen: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Doch Priol versteht es ausgezeichnet abzuwechseln zwischen „brandheißen“ Aussagen, mit denen er sich eventuell auch angreifbar macht und Allerweltshumor, der aber ganze Säle mitreißt.

So sei das Konklave dieses Mal sehr schnell in der Papstfindung gewesen. „Das war dann auch ganz angenehm für die Kardinäle. Die konnten schnell wieder zu Frau und Kind zurück.“

Und wo man gerade thematisch - fast - in Rom unterwegs sei: Die Diskussionen um Peer Steinbrücks „Clown“-Äußerungen über Beppe Grillo und Silvio Berlusconi fand Priol überzogen. „Der eine nennt sich schließlich selbst so - und für den anderen ist der Ausdruck ja noch untertrieben“, meinte er. Aber die Tatsache, dass Berlusconi von den Italienern nun „zum fünften Mal mit Macht ausgestattet wurde“ zeige immerhin, dass „nicht nur wir blöd“ seien.

Der Kanzlerkandidat der SPD sei aber sowieso ein Sonderfall. Der stolpere über jedes Stöckchen, das ihm die Journalisten hinhalten. „Steinbrück sollte da mal gelassener werden und es mit Willy Brandt nehmen, der einmal sagte: ‚Journalisten sind nur Randfiguren der holzverarbeitenden Industrie.‘“

Die Medien bekamen noch häufiger ihr Fett weg an. Beispielsweise gleiche Berichterstattung aus Nordkorea einem „Handbuch für kritischen Journalismus“, wenn man mal in die Bild-Zeitung oder den Focus reinschaue. Damit traf er nicht den Geschmack des Publikums, das Priol an dieser Stelle den Beifall verwehrte. Ganz anders war das, als er forderte, Journalisten sollten lieber mal in einfachen Worten erklären, was diese Rating-Agenturen seien, anstatt ausschweifend darüber zu berichten, dass Rainer Brüderle einer Redakteu­rin in den Ausschnitt gestarrt habe.

Die daraus resultierende Sexismusdebatte sei doch nur ein der „schwarzgelben Tigerenten-Regierung“ gerade recht gekommenes Ablenkungsmanöver im Superwahljahr gewesen. Genauso würden einige Regierungspolitiker bestimmt gerne „die Schwangerschaft von Kate bis zum 23. September verlängern“. Bunte-Leserinnen, „die ja auch wählen dürfen“, würden sich dann eher Sorgen um „die Übelkeitsanfälle der im elften Monat schwangeren“ Herzogin machen, anstatt am 22. September an der Bundestagswahl teilzunehmen.

Einen Aufschrei hätte Priol sich eher bei anderen Themen gewünscht. So hätte Merkel in ihren knapp acht Jahren Kanzlerschaft alle von Priol abgezählten 38 zur „Chefsache“ erklärten Angelegenheiten versemmelt. Unter anderem weil der bekennende Grüne sich dabei auch über das „desaströse Milliardengrab Stuttgart 21“ echauffiert, ist das eine eher schwächere Phase an diesem Abend. Priol greift hier primär auf oppositionellen Populismus zurück, der in einem kabarettistischen Programm nicht unbedingt auftauchen muss.

Ein weiteres Thema, das zu seiner Verwunderung kaum Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzeugt hat, sei die angedachte Streichung des gesenkten Mehrwertsteuersatzes für Bücher und Nahrungsmittel. „Essen und lesen sind wohl sehr hinderlich im globalen Wettbewerb“, vermutete Priol. Dafür solle eventuell der Regelsatz von derzeit 19 auf 17 Prozent gesenkt werden. Aber „wer an eine Steuersenkung glaubt, der vertraut auch auf die erste Kostenaufstellung für einen Großflughafen“, bemerkte er schmunzelnd.

Aber das Volk sei ja immer beruhigt, sobald die Politiker versprächen, dass der Staat die Finanzierung übernehme. „So ganz verstanden, wer ‚der Staat‘ ist, haben da viele noch nicht“, konstatierte Priol.

An diesem Abend war „das Volk“ in jedem Fall zufriedengestellt. Für den äußert unterhaltsamen Abend bedankte es sich mit donnerndem Applaus. Auftritte weiterer Kabarettisten dieses Kalibers in Bad Reichenhall sehen sie sicherlich gerne.

Fotos: Michael Scheurl