Der nachfolgende Bericht erschien am 10. Mai 2012 im Reichenhaller Tagblatt (Autorin: Katharina Stockhammer)

 

Sechs Kubaner zelebrieren den A-cappella-Gesang

Vocal Sampling bringen beste Stimmung ins Magazin 4

und beeindrucken durch Virtuosität

BAD REICHENHALL – Sie singen Salsa mit Leidenschaft und sind jedoch keine Salsaband. Das Sextett „Vocal Sampling“ hat nämlich keine Instrumente dabei. Die Herren als „Stimmakrobaten“ zu bezeichnen, ist da schon passender. Seit fast zwei Jahrzehnten sind die Kubaner in nahezu unveränderter Besetzung weltweit unterwegs, um mit ihrem Gesang das Lebensgefühl der Karibik auch in wesentlich kühlere Regionen zu tragen.

Mit „Una Forma Mas“ von ihrem gleichnamigen Debüt-Album aus dem Jahr 1995 kann Vocal Sampling beweisen, dass als Bühnenausstattung sechs Barhocker und die gleiche Anzahl an Mikrofonen völlig ausreichend sind, um einen Saal voller Zuhörer in Erstaunen zu versetzen.

Sind da nicht gerade Percussions zu hören? Ja schon, aber gemacht mit der Stimme von Abel Sanabria Padrón. Er hat gemeinsam mit dem musikalischen Leiter der Formation, René Baños Pascual und Reinaldo Sanler Masenda die Gruppe gegründet. Damals waren sie Studenten an der Kunst- und Musikhochschule in Havanna und allesamt kaum älter als zwanzig Jahre. Aus purer Lust am Musizieren, ohne Geld für teure Instrumente, hatten sie den Einfall, Bläser, Schlagzeug oder Piano mit der Stimme zu imitieren. Die Idee schlug ein. Stars wie Bobby McFerrin und Peter Gabriel erkannten das Potential der jungen Kubaner. So begann der Weg vom Pausenfüller in der Uni-Aula hin zu gefragten Künstlern, die in Jazzclubs und auf Festivals (sie traten bereits in Montreux auf) die Musik ihrer Heimat präsentieren. Dass sich zwischenzeitlich der Sound des „Buena Vista Social Club“ als Erfolgskonzept vermarkten ließ, war sicher kein Nachteil für Vocal Sampling.

Mit „El Tren“ („Der Zug“) und „Escaramuja“ („Hagebutte“) werden zwei weitere kubanische „Traditionals“ vorgetragen, bevor dann bei „Blowin’ in the Wind“ auch das Publikum leise mitsingen kann. Der Jahrhundert-Song von Bob Dylan und danach das ebenfalls ziemlich berühmte „Every breath you take“ von „The Police“ eignen sich vorzüglich, daraus eine A-cappella-Version zu kreieren. Das Schlagzeug hört man ganz deutlich, welch Täuschung der Sinne. Rhythmus pur ist „Apretaito Pero Relajao“ und auf der Bühne formieren sich die Sänger nebenbei zu Tänzern mit einer richtigen Choreografie.

Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ läutet die zweite Halbzeit ein. Danach bleibt niemand im Magazin 4 auf seinem Stuhl sitzen, denn „La Negra Tomasa“, durch Compay Segundo allen Freunden kubanischer Musik ein Begriff, regt unweigerlich dazu an, sich zu rühren. Nicht alle bringen das so geschmeidig hin, wie die Lateinamerikaner, die das Bewegungstalent im Blut haben. Spaß haben alle daran, Gäste und Künstler gleichermaßen. Die Tenöre Héctor Crespo Enriquez und Osnel Rodriguez Otero sind zuletzt zur Gruppe gestoßen, aber sie sind ein echter Gewinn für Vocal Sampling, und das nicht nur dank ihrer sonoren Stimmen. Die Beiden sind – ebenso wie René und Reinaldo – umwerfende Entertainer. Mitreißend groovig ist „Buscando Guayaba“, bekannt geworden durch das Duett der Latino-Größen Willie Colón aus New York und Rubén Blades aus Panama. Im sehr gut gefüllten Barraum bleiben die Stühle bei diesem Stück erneut ungenutzt, doch als danach „Hotel California“, die Gänsehaut-Ballade der Eagles angestimmt wird, setzen sich wieder alle und es wird mucksmäuschenstill im Saal. Der kräftige Bass von Oscar Porro Jiménez ist die Grundlage für einen Gitarrensound, der unglaublich „echt“ klingt. Eine Wahnsinns-Nummer!

„El cuarto de Tula“ ist einer der meistgehörten Titel vom Album des Buena Vista Social Club. „Tula’s Schlafzimmer steht in Flammen…, ruft die Feuerwehr“, sangen schon Ibrahim Ferrer, Eliades Ochoa und Co. mit Emphase und die Sechs von Vocal Sampling sind wirklich legitime Erben dieser kubanischen Großväter. Bei „Un son pa’Cantar“ scheint es fast so, als hätte sich zum Abschluss ein ganzes Orchester eingefunden, jeder der Sänger gibt ein Solo zum Besten. Es ist das vorletzte Stück des Abends. Unter heftigem Beifall kommen die Kubaner dann noch einmal auf die Bühne. „Pirim pin pin“ wäre für ungeübte nur ein Zungenbrecher, das Sextett zelebriert bei diesem Lied „A-cappella“-Kunst vom Feinsten. Die restlos begeisterten Zuhörer können es gar nicht fassen, dass der lange Schlussapplaus keine weitere Zugabe bewirkt. Auch wenn sich die Künstler nach knapp zweistündigem Gesang und eindrucksvoller Bühnenpräsenz den Feierabend redlich verdient haben, für das Publikum geht dieses Konzert viel zu schnell zu Ende.